Was ist Tantra?
Was ist denn Tantra überhaupt?? |
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Der Sanskrit-Begriff Tantra kann verschieden übersetzt werden, nämlich als Schiffchen oder Schussfaden (im Zusammenhang mit der Herstellung von Tuch), Webstuhl, Gewebe, Hindurchfliessendes, Zusammenhang, Gefüge, Kontinuität, Ausdehnung, Abfolge, Herkunft oder fortwährender Prozess, Ablauf einer Zeremonie, System, Theorie, Lehre, wissenschaftliches Werk, Abteilung eines Werks. Dabei wird Tantra zunächst zur Bezeichnung eines religiösen oder philosophischen Werks verwendet. Dieses muss inhaltlich nichts mit dem zu tun haben, was gemeinhin als Tantra bezeichnet wird. In der wissenschaftlichen Literatur ist denn auch nicht von Tantra, sondern Tantrismus die Rede.
Tantra ist in Indien vor 5000 Jahren im Industal südlich von Kaschmir entstanden. Mit dem Eindringen arischer Stämme aus dem Norden ging diese Kultur zu Ende und lebte zunächst im Verborgenen weiter. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung trat Tantra in Kaschmir wieder offen in Erscheinung. Im Mittelalter wurde durch das Vordringen des Islam die tantrische Kultur zerstört. Im europäischen Raum taucht der Begriff "Tantra" zum ersten mal im 18. Jahrhundert auf. Damals entdeckten englische Missionare in Indien geheime Schriften der shivaitischen Sekte der Shaktas, die als "Tantras" bezeichnet wurden.
Tantra ist eine alte östliche Wissenschaft von der spirituellen Erleuchtung. Die Sexualität als Lebenskraft an sich wird als göttliche Kraft verehrt. Mit Hilfe dieser Energie und ihrer Kultivierung, Kontrolle und Stärkung durch tantrische Techniken soll Ekstase und Bewußtseinserweiterung erreicht werden.
Eine These besagt, dass Tantra durch den Kult um den Hindu-Gott Shiva und seine Gefährtin, die Göttin Shakti entstanden sei. Der Glaube war, daß Shakti (sie verkörpert reine Energie) durch die spirituelle und sexuelle Vereinigung mit Shiva (er verkörpert reines Bewußtsein) seinem Geist Form verlieh und das Universum erschuf. Die Überzeugung, daß das weibliche Prinzip eigentlich der bewegende Aspekt des Bewußtseins ist, war der Hauptgrund dafür, daß die Frau eine hohe Stellung inne hatte und sie zu einer kosmischen Kraft erhoben wurde.
Tantra entwickelte sich auch als Gegenstrom gegen die etablierte Religion, besonders gegen den weit verbreiteten Glauben, daß die Sexualität verleugnet werden muß, damit die Erleuchtung erreicht werden kann.
Es stellte durch seine rebellische Haltung eine Herausforderung für die herrschenden Glaubenssysteme dar und entwickelte viele Verzweigungen, die die Traditionen des Hinduismus, des Taoismus und des Buddhismus beeinflußten.
Die Buddhisten unterschieden einen rechtshändigen und einen linkshändigen tantrischen Pfad. Der linkshändige schloß Sexualpraktiken ein, während der rechtshändige sie geistig sublimierte und nur symbolisch mit der sexuellen Energie arbeitete.
Im Mittelpunkt der tantrischen Lehren steht die Anschauung, daß die Wirklichkeit eins ist, ein unteilbares Ganzes. Die Trennung von Diesseits und Jenseits besteht ebensowenig wie die von Gut und Böse oder von Schuld und Sühne. Alles existiert gleichberechtigt, ohne be-wertet zu werden.
Ziel der tantrischen Lehre ist die Transzendierung des Ego und eine höhere Bewußtheit auf allen Bewusstseinsebenen. Im Zentrum steht die Verbindung des Menschen zur Erde und zum Kosmos.
Diese Verbundenheit wird durch verschiedene Elemente angestrebt:
• die Lehre des Atems (Pranayama),
• Meditation als Bewegung nach innen zum Zentrum des Menschen, zur
Essenz
• die Lehre der Energiezentren im menschlichen Körper (Chakra),
• die Mantra-Praxis als Instrument des Klanges,
• visuelle Meditationshilfen (Yantra),
• Ekstase als Bewegung nach außen, Entgrenzung und Verschmelzung
• die rituelle geschlechtliche Vereinigung (Maithuna).
Seit den 70er Jahren erlebt das Tantra im Westen eine Wiedergeburt und wird seitdem als „Neo-Tantra“ weitergegeben und weiterentwickelt. So sind viele Tantra-Schulen entstanden, die mehr oder weniger stark in der Tradition des alten indischen Tantra verwurzelt sind. Das heutige Tantra läßt sich unterscheiden in weißes und rotes Tantra. Weißes Tantra ist ein von strenger spiritueller Disziplin geprägter Weg ohne sexuelle Übungen. Rotes Tantra nutzt die sexuelle Kraft als Energiequelle für den ganzheitlichen (spirituellen) Weg. Die Ausrichtung der einzelnen Schulen hängt stark von der Persönlichkeit und Ausbildung der jeweiligen Lehrer/in ab. Die Angebote reichen von der sinnlichen Tantra-Massage bis zu kraftvoller Körperarbeit, von Sexualtherapie bis zur spirituell orientierten Meditationsgruppe und vom theoretischen Vortrag bis zum praktischen Erleben im Ritual.
Tantra-Lexikon
A
Agni | (sanskrit) Feuergott, dargestellt als zweiköpfig und rotfarben. Auch als Surya, das himmlische Feuer, bekannt. |
AH NAH YA TAUN | Mantra der Kanalisierung |
Ajna | sechstes oder Stirnchakra, das "dritte Auge"; steht für die Inspiration, Intuition und Visionen |
Anahata | viertes oder Herzchakra; steht für das Element Luft, für Liebe, Verströmen, Verschmelzen, Teilen und Mitgefühl |
Ardhanarishvara | (sanskrit) Der androgyne Shiva, bei dem die linke Seite weiblich, die rechte Seite männlich ist. Symbol der ausgeglichenen Vereinigung von Shiva und Shakti und die Auflösung innerer und äußerer Dualität. |
AUM (OM) | Ur-Mantra und höchstes Mantra, Manifestation des spirituellen Klangs |
B
Bandha | (sanskrit) Fessel, Knoten, Band. Techniken zum Zurückhalten nach außen fließender Energien, besonders der sexuellen Energie. |
Brahma | (sanskrit) Das schöpferische Prinzip im Universum. Diese Kraft verhilft allen Wesen zum Sein. Seine Partnerin ist Sarasvati. |
C
Chakra | (sanskrit) wörtlich: Rad. Energiezentren, die sich entlang der Wirbelsäule befinden. |
Chinnamasta | (sanskrit) Tantrische Göttin, die mit ihrem eigenen Kopf (dem Ego) in der Hand dargestellt wird. |
D
Dakini | (sanskrit) Personifizierung der erotischen weiblichen Energie. Hüterin der tantrischen Weisheit und Ausdruck erhöhter Intuition. |
Dorje | (tib.) Diamant-Zepter. Tantrisches Symbol für das männliche Geschlechtsorgan (-> Lingam). |
Drittes Auge | Punkt über der Nasenwurzel zwischen den beiden physischen Augen. Sechstes Chakra (Ajna Chakra). Inneres Auge des Geistes, Sitz der Visionen und der hellsichtigen Intuition. |
G
Ganesha | (sanskrit) elefantenköpfiger Gott, der Überwinder der Hindernisse, beschert Glück und Erfolg. |
Gajatri | (sanskrit) Göttin des Lichts |
Guna | (sanskrit) Qualität, Eigenschaft. Die drei Gunas, aus denen das Universum besteht, sind: Sattva, das Schöpferische (Licht), Rajas, das Leidenschaftliche (Feuer), und Tamas, das Beharrende (Dunkelheit). |
H
Hals-Chakra | Kommunikationszentrum, Sitz von Sprache und Ausdruck. Wird visualisiert als ein hellblauer Lotos mit sechzehn Blütenblättern |
Herz-Chakra | Sitz der Emotionen, der Öffnung vom Ich zum Du. Lotos mit 12 Blütenblättern in grüner Farbe |
I,J
Ida | (sanskrit) Einer der drei Haupt-Energiekanäle entlang der Wirbelsäule. Ida verläuft vom linken Nasenflügel zum Kronenchakra und dann die Wirbelsäule abwärts bis zum Basischakra. |
Japa | Wiederholung eines Mantras, mit oder ohne Zählhilfe (Mala) |
K
Kali | Dunkle, ehrfurchtgebietende Göttin der Transzendenz und Kraft der Sexualität |
Kama | Liebesgott, Sohn von Vishnu und Laxshmi. Er ist jugendlich, und er soll auf unsichtbare Weise während dem Liebesakt zugegen sein. |
Kameshvari | Name der Shakti in ihrer Rolle als lustvolle Herrin. Sie verkörpert das ursprüngliche Machtprinzip von Tantra. |
Kundalini | (sanskrit) schlummernde sexuelle Kraft und Lebensenergie, die am unteren Ende der Wirbelsäule schläft und, wenn geweckt, durch den Zentralkanal der Wirbelsäule (Shushumna) aufsteigt. Sie wird mit einer zusammengeringelten Schlange verglichen. |
Kurukulla | (sanskrit) Tantrische Göttin für die Macht der Liebe. Wird mit einem Bogen und einem aus Blumen hergestellten Pfeil dargestellt. |
L
Lakshmi | Göttin für Reichtum, Gesundheit und Familienglück. Partnerin des Vishnu. |
Lingam | (sanskrit) männliches Geschlechtsorgan, Symbol für Shiva und die Kraft des Himmels |
Lotosblüte | tantrischer Begriff für das weibliche Geschlechtsorgan, die Yoni |
M
Madya | (sanskrit) Wein. Ein Element des Rituals der Fünf M. Symbolisiert das Element Feuer. |
Mahakala | Name für Shiva in der Funktion als Herr der Zeit und als tantischer Beschützer. |
Maithuna | (sanskrit) Sexuelle Vereinigung. Rituelle Vereinigung von Shiva und Shakti, dem männlichen und weiblichen Prinzip im Universum. Der letzte Schritt im Ritual der Fünf M - symbolisiert hier das Element Raum (Äther). |
Mala | Perlenkette als Zählhilfe zur Rezitation von Mantren, meist mit 108 Perlen aus Sandelholz, Lotossamen oder Edelsteinen |
Mamsa | (sanskrit) Fleisch. Ein Element des Rituals der Fünf M. Symbolisiert das Element Luft. |
Mandala | (sanskrit) Kreis. Mystischer Kreis, umschlossener Raum. |
Manipura | drittes oder Nabelchakra; steht für das Element Feuer, für Macht und Ohnmacht, den Willen und die Durchsetzungskraft |
Mantra | Mystische Tonsilben in der heiligen Ursprache, dem Sanskrit. Sie werden benutzt, um den Geist zu kontrollieren und zu konzentrieren. Sie können auch benutzt werden, um sexuelle Energie bewußt wahrzunehmen, zu kontrollieren und zu transzendieren. |
Matsya | (sanskrit) Fisch. Ein Element des Rituals der Fünf M. Symbolisiert das Element Wasser. |
Meditation | (lat.: "Nachdenken über...") Beruhigung und Zentrierung des Geistes, Alphazustand des Gehirns, Zustand jenseits von Gedanken. Spirituelle bewußtseinsverändernde Praxis. |
Mudra | (sanskrit) Getreide. Ein Element des Rituals der Fünf M. Symbolisiert das Element Erde. |
Muladhara | erstes oder Basischakra; steht für das Element Erde, für körperliches Wohlbefinden, Sicherheit, grundlegende Bedürfnisse, Gesundheit, Schutz |
N
Nabel-Chakra | drittes Chakra, Solarplexus. Wird dargestellt als gelber Lotos mit 10 Blütenblättern |
Nadi | (sanskrit) Energiekanal, durch den psychische Energie im Körper fließt und verteilt wird |
O
OM (AUM) | Ur-Mantra und höchstes Mantra, Manifestation des spirituellen Klangs |
OM ADI OM | Mantra der Wahrnehmung |
OM DA AAH | Mantra des Überganges |
P
Padma | (sanskrit) Lotos. Symbol der Weiblichkeit, auch Begriff für die Yoni. |
PAH DAH OH MAM | Mantra der Kontrolle |
Parvati | (sanskrit) Gefährtin von Shiva, Verkörperung der Sinnlichkeit und dem Entzücken in der tantrischen Vereinigung |
Pingala | (sanskrit) Eine der drei Hauptkanäle entlang der Wirbelsäule, verläuft vom rechten Nasenflügel zum Kronenchakra und danach zur Basis des Rückgrats. |
Prana | (sanskrit) Lebenskraft. Symbolisiert den Atem und das Leben. |
Pranayama | Yogische Atemübungen zur Kontrolle des Atems als Hilfe für Befreiung |
Puja | (sanskrit) rituelle Verehrung des Göttlichen in einer Statue oder Person |
R
Rajas | (sanskrit) Feuer, Aktivität; eine der drei Gunas, der Energieformen des Universums |
Rati | (sanskrit) Ehefrau von Kama, dem Liebesgott. Sie ist die Verkörperung der Erotik und ist ein Aspekt der Frau in ihrer aktiven Rolle. |
Ritual, tantrisches | Rituale stellen durch ihren immer gleichen Ablauf eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. Im tantrischen Ritual lassen wir den Alltag und die Anhaftung an unsere persönliche Geschichte hinter uns und verbinden uns mit dem göttlichen Kern in uns selbst und unserem Partner, um unser Bewußtsein zu öffnen und die spirituelle Dimension unserer sexuellen Kraft zu erfahren. |
S
Sadhana | (sanskrit) rituelle Mediationspraxis mit dem Ziel, eine bestimmte Ebene spiritueller Verwirklichung zu erreichen |
Sahasrara | siebtes oder Kronen-Chakra; steht für die Verbindung zum Göttlichen, zum Kosmos, zum Universum. Hier herrscht völliges Einssein mit der kosmischen Energie. |
Samadhi | meditativer Zustand, Bewusstseinszustand, der über Wachen, Träumen und Tiefschlaf hinausgeht und in dem das Denken aufhört. |
Sarasvati | Schutzpatronin der vierundsechzig Künste des Tantra und Göttin der Kunst und Musik |
Sattva | (sanskrit) Wahrheit, Essenz; eine der drei Gunas, der Energieformen des Universums |
Shakti | (sanskrit) Weibliches Prinzip des Universums. Partnerin von Shiva. Aktive, schöpferische Kraft und Macht des Tantra. |
Shiva | (sanskrit) Männliches Prinzip des Universums. Partnerin von Shakti als Parvati in ihrem wohlwollenden Aspekt und von Kali als ihrem furchterregenden Aspekt. Durchdringende Kraft konzentrierter Energie. |
Surya | (sanskrit) Sonnengott. Dargestellt als golden glänzendes Wesen auf einem Himmelswagen, der von sieben Pferden gezogen wird. |
Svadhishthana | zweites oder Sexualchakra, steht für das Element Wasser, für Sexualität, Phantasie, Fließenlassen von Gefühlen |
T
Tamas | (sanskrit) Trägheit; eine der drei Gunas, der Energieformen des Universums |
Tara | (sanskrit) Göttin Tara repräsentiert die Verkörperung des mütterlichen Mitgefühls. Ihr Name bedeutet "Stern". |
U
Ushas | (sanskrit) Göttin der Dämmerung, Ehefrau von Agni, dem Feuergott. |
V
Veena | (sanskrit) Instrument von Sarasvati, der Göttin der Kunst und Gefährtin von Brahma. Sie hat sieben Saiten und an jedem Ende des Griffbrettes einen ausgehöhlten Kürbis. |
Vishnu | (sanskrit) Erhaltende und bewahrende Kraft im Universum. Partner von Laxshmi. Seine Rolle besteht unter anderem darin, den Eros zu hüten und zu stimulieren. |
Vishudda | fünftes oder Halschakra; steht für das Element Äther, für Wissen, Hören, Reden und Handeln |
Y
Yab-Yum | (tibetisch) Wörtlich: Mutter-Vater. Einheit der Kräfte des Himmels und der Erde. Höchste tantrische Vereinigungsstellung. |
Yang | (chinesisch) Kraft des Himmels und männliches Prinzip. |
Yantra | (sanskrit) Magische Zeichnung als Symbol für Meditation. |
Yin | (chinesisch) Kraft der Erde und weibliches Prinzip. |
Yoga | (sanskrit) Joch. In der ursprünglichen Yogalehre ist Yoga ein Weg der Selbstvervollkommnung, zu dem unter anderem gehört, die Begierden zu zügeln und Methoden der Reinigung auszuüben. Yogaübungen verfolgen heute zumeist einen Ansatz, der den Geist zur Ruhe bringen soll. Es werden Asanas, Phasen der Tiefenentspannung, Atemübungen sowie Meditationsübungen kombiniert. Die Ausübung der Asanas soll das Zusammenspiel von Körper, Geist, Seele und Atem verbessern. Angestrebt wird eine verbesserte Vitalität und gleichzeitig eine Haltung der inneren Gelassenheit. |
Yoni | (sanskrit) weibliches Geschlechtsorgan. Ursprüngliche Quelle, Tor in diese Welt. |